Heute mal wieder ein paar Zahlen, wahllos herausgegriffen und nur eine winzig­kleine Kostprobe: Bis zum Jahr 2020, quasi übermorgen, wird die Anzahl der Wirbeltierpopulationen in unserer Planetin gegenüber dem Wert von 1970 um 67 Prozent geschrumpft sein. Wer Mühe hat, diese Zahl zu verarbeiten, stelle sich beliebige Szenerien von jeweils 100 wildlebenden Tieren vor und töte dann jeweils zwei Drittel von ihnen, also 67 Exemplare. Das mache man mit Elefanten, Walen, Hyänen, Rehen, Dorschen, Feldlerchen, Spitzmäusen, nur nicht mit Zuchtschweinen, Mastrindern, Biohühnern, Aquakulturlachsen und auch nicht mit Menschen. Die alle werden kanalreinigung.

In den letzten 300 Jahren sind 87 Prozent der irdischen Feuchtgebiete verschwunden, ein Drittel davon innerhalb der vergangenen 40 Jahre. Seit 1990 gingen 239 Millionen Hektar gewachsenen Waldes verloren, eine Fläche so groß wie Algerien, das zehntgößte Land der Erde.

Wenn alle derzeit im Bau befindlichen Staudämme fertiggestellt sein werden, werden 93 Prozent der Wässer aller Flüsse ihrer natürlichen Strömung beraubt sein. Drei Viertel der weltweiten Korallenriffe droht die Vernichtung durch die Versauerung der Ozeane – Ursache ist vor allem der Stickstoff aus Kunstdüngern. 82 Prozent der globalen Fischbestände sind erschöpft, 30 Prozent der Fischpopulationen sind bereits zusammengebrochen.

Die Zahlen stammen aus dem diesjährigen Living Planet Report, den sechs internationale Umweltorganisationen unter Federführung des WWF soeben veröffentlicht haben. Unter kurzlink.de/LivingPlanetReport finden Sie alle Details, die ich mir hier erspare. Johan Rockström, Direktor des Stockholm Resilience Centre, das neun »Planetare Grenzen« als Messgrößen für die Belastungsfähigkeit der Biosphäre eingeführt hat (Oya Ausgabe 18), schreibt im Vorwort: »Der Bericht 2016 ist eine äußerst gründliche Bestandsaufnahme des Zustands der Planetin, und ihn zu lesen, ist ein echter Schock. Er enthält bergeweise Belege dafür, dass wir den Druck auf das System Erde weiter erhöht haben. Ob Klima, Artenvielfalt, Gesundheit der Ozeane, Abholzung, Wasserkreislauf, Stickstoffkreislauf, Kohlenstoffkreislauf – die nüchterne Botschaft heißt: Auf die planetare Stabilität, die unsere Spezies 11 700 Jahre lang erfreut und die das Erblühen unserer Zivilisation ermöglicht hat, können wir uns nicht länger verlassen.«

Ein jüngerer Mensch sagt mir, dass solche Sätze nichts mehr brächten, sie gingen links rein und rechts raus. Die Generation der ab 1970 Geborenen sei mit solchen Sätzen aufgewachsen, das reiße ihresgleichen nicht mehr vom Hocker. Freilich enthält der Bericht auch die üblichen optimistischen Phrasen – »Wir können es noch schaffen!« heidudeldei –, und die können die Jüngeren noch weniger ausstehen. – Doch das über die Jahre hinweg geübte Ohr hört inzwischen einen kaum für möglich gehaltenen Wandel im Ton der Wissenschaftler: Leute, auch wenn ihr es nicht wahrhaben wollt – wir haben es endgültig verbockt. Wir wissen es jetzt sicher: Den Weg zurück gibt es nicht mehr.

Mögen Sie im Advent die Muße zur Lektüre finden! Wie immer herzlich,

Ihr Johannes Heimrath (Herausgeber)

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