Brennende Häuserzeilen in dem mir lieben England, brennende ­Kinderwägen und Autos im mir als Süddeutschem zunehmend lieber werdenden Berlin – ­wobei das eine mit dem anderen nach Volksvertretermeinung nichts zu tun hat; die Berliner Polizei versichert uns, es gebe keinen »Aufstandsneid« (­Spiegel online, 18.8.2011; Unwort des Jahres?): So und viel schlimmer stelle ich mir die wärmere Welt vor, wenn ich nicht so gut drauf bin. Ich überfliege die Studien über die stets »überraschende« Verschlechterung gewisser Daten zum Klimawandel, die täglich meine Mailbox füllen, lese die nunmehrige Feststellung, dass die Kernschmelze in allen drei Fukushima-Reaktoren bereits vor dem Eintreffen des Tsunamis eingesetzt hatte (Independent, 19.8.2011) – die Kühlsysteme gingen schon durch das Erdbeben zu Bruch, und die Herren Edano und Shimizu haben gelogen, gelogen, gelogen, denn demnach ist keines der übrigen japanischen Kernkraftwerke einem solchen Beben vor Ort gewachsen – und denke an die Brown’sche Molekularbewegung in Flüssigkeiten und Gasen, die bei steigender Temperatur zunimmt. Und beruhige mich bei dem Vergleich, denn das wilder werdende Schlingern der Regierungen und die größer werdenden Auslenkungen gewisser Kennziffern zum Kurs von Spaceship Earth erscheinen dann weniger willkürlich, vielmehr ganz im Rahmen des zu erwartenden Verhaltens eines Systems, das sich aufheizt, bis es knallt.

Gut, dass es auch andere Wärmeerfahrungen gibt. Auf dem Weg zum Holon-Kongress über Integrale Politik in Vorarlberg platzte auf der Höhe von Hof im schönen Fichtelgebirge der Turbo-Ladeluftschlauch meines ansonsten treuen Reisediesels. In der Werkstatt versorgte mich eine höfliche, kompetente und strahlende Belegschaft, wie ich es selten erlebt habe. Als ich so vor dem Tresen meines Kümmerers saß und beobachtete, wie er mit seiner Kollegin den besten Weg austüftelte, mir, dem unerwartet hereingeplatzten Fremdling, am besten zu helfen, kamen mir andere Studien in den Sinn, dass nämlich jeder Vierte oder gar Dritte zum kulturkreativen Potenzial zähle und sich mehr als üblich für eine menschlichere, weniger konfliktreiche, die Schätze der Welt ­erhaltende Lebensweise engagiere. Wahrscheinlich erfüllten drei oder vier der zwei Handvoll Angestellten nach der Arbeit irgendein ­Ehrenamt, drei oder vier wären Naturfreunde, mit dreien oder vieren könnte ich mich über ein besseres Schulsystem unterhalten, und die unschwer als Mutterherz des Teams zu erkennende Buchhalterin würde auch auf einer Oya-Generalversammlung eine gute Figur abgeben. Gut bürgerlich – in dieser sonnigen Werkstatt brauchte es nicht mehr, um mich rundum froh zu machen: Ein anteilnehmendes, ehrliches ­Geschäft, jemanden, der dir offen in die Augen schaut, während er dir erklärt, was sein Inspektionscomputer gerade über dein Auto verrät, ­jemanden, die dir vermittelt, dass ihre Lebenswelt rund ist und sie dir mit Freude hilft, jemanden, der einen lebenserfahrenen Nebensatz fallen lässt, der dir das Herz wärmt.

Gute Bürger, globale Nachbarn, einfach schöne Menschen.

Derzeit auf der Heimreise, dankbar und herzlich,

Ihr Johannes Heimrath (Herausgeber)

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