»Wegen Steve ist die Welt ein unermesslich besserer Ort«, bekundete Apple nach dem Tod von Steve Jobs. Ein tief empfundenes »Jein!« riss an ­meinem Herzen. Ich war sein Freund. Natürlich wusste er das nicht. Es war eine harzige Freundschaft. Ich war mit vielem nicht einverstanden. Hätte dieser Sturschädel nicht auch in anderen Persönlichkeitsbereichen jene federleichte Weitsicht entwickeln können, die er beim Erträumen seiner Zauberkästen erwies? Die haben dem Zeitgeist Geburtshilfe geleistet wie wenige andere Werkzeuge der jüngeren Geschichte. Dabei hat er kaum was selber erfunden. Legionen von Vor- und Nachdenkerinnen und -denkern haben ihm Puzzleteile geliefert. Nur: Keiner sah damals das ganze Bild. Jobs erkannte die Umrisse als erster. Doch der größte Teil des Ganzen scheint auch ihm nebulös geblieben zu sein. Sonst hätte er die Gesamtauswirkung seines Tuns besser bedacht. Ist es deswegen falsch, anzuerkennen, dass Steve Jobs ein paar Stücke des Puzzles richtig gelegt hat?

Wenn sie überleben will, braucht die Menschheit weder iPod, iPhone noch iPad. Alles Prä-Kollaps-Produkte. Nicht »enkeltauglich«, wie Harald Welzers Sohn sagt. Genauso ressourcenzehrend ist mein MacBook, mit dem ich täglich kreativ verschmelze. Auf dem MacBook lese ich: 2030 brauchen wir zwei Erdbälle, wenn wir so weitermachen. – Und auf dem MacBook schreibe ich für das gute Leben »danach«. Wie soll ich diese Kluft überbrücken? Alles niederlegen? Jetzt sofort?

1984 sah ich hingerissen auf einem kleinen Bildschirm das berühmt gewordene Schreibschrift-»hello« – und spürte den Anhauch einer Kulturrevolution. Ich erinnere mich daran, wie ich mich bald darauf mit weichen Knien an einer Hauswand festhalten musste: Ich hatte für 10 000 Mark den ersten 512K-Mac in München gekauft. Der Apple LaserWriter katapultierte uns dann endgültig in bis dato völlig unbekannte Dimensionen des Publizierens. Von Erdöl, Kernkraft und Waffen wussten wir’s, aber niemand dachte damals, dass uns auch die menschenverbindende IT-Technik rapide ans Ende der Welt, wie wir sie heute kennen, treiben würde. Als 13-Jähriger, zur Gemini-Zeit, glaubte ich noch, die Raumfahrt würde Kriege und alle Kleinlichkeiten für immer beenden. Steve Jobs schien ähnlich naiv an die Technik geglaubt zu haben. Dass mehr als bloß das Geschäft in seinem Herzen war, zeigte seine Stanford-Rede 2005. Und es führt eine Idee von seinem 1984er-Slogan »The Computer for the Rest of Us« zur Occupy-Bewegung der »übrigen 99 Prozent«. Zumindest die Essenz einer Idee …

Es hätte weitere Aufhänger für diese »wärmere Welt« gegeben: Gaddafis Tod, Syrien, die Konterrevolution in Nordafrika, der Finanzirrsinn in Europa, der fehlende Widerstand gegen die Ackergifte. Überall brennt’s. Mir war aber danach, etwas Dankbarkeit für die Steigerung meiner Lebensqualität ins Feld einzuspeisen, rein aus meiner Arbeitsrealität heraus, ein bisschen parteiisch und ziemlich sentimental. Yes, Steve! – Noch immer freue ich mich, wenn ich früh meinen Rechner aufklappe und weiß, ich kann so arbeiten, wie mein Gehirn tickt.

Am Ende aber zählen nicht Geräte, nicht das Wie. Zählen wird, ob wir damit genügend Menschen ermutigt haben, die neue Welt »danach« mitzubauen.

Herzlich, Ihr Johannes Heimrath (Herausgeber)

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