Am Rand einer Veranstaltung, die sich mit der Rückgewinnung einer intimen Beziehung zur mehr-als-menschlichen Welt – vulgo »Natur« – beschäftigte, drückte mir eine alte Dame, die Kulturanthropologin Ingeborg Meyer-­Palmedo, einen Text in die Hand, der mir derart aus dem Herzen sprach und bestens ans Ende dieses Hefts passt, dass ich ihr hier auszugsweise das Wort überlasse. Bis dato nämlich wähnte ich mich allein in meinem Bemühen, das Wort »Technologie« zumindest aus dem Oya-Wortschatz herauszuhalten. »Techno­logie« heißt Wissenschaft bzw. Lehre von der Technik. Die inflationäre Falschanwendung des Begriffs dort, wo simp­le »Technik« gemeint ist, offenbart einen Dünkel scheinbar höherer Weihen, der deren unschöne Ursprünge vernebelt und den allgemeinen Machbarkeitswahn in einem viel höheren Maß befördert, als die meisten von uns zuzugeben bereit sind. Frau Meyer-Palmedo schreibt:

»Der Begriff ›Technologie‹ ist faszinierend in seiner opaken Schwammigkeit und verquasten Vagheit; durch seine unbestimmte Vieldeutigkeit ist er nahezu beliebig auslegbar und lädt damit zu allen möglichen (und unmöglichen) wunschbefördernden Vorstellungen ein. In ihm schwingt etwas mit von Zauber, Wundersam-Geheimnisvollem, unerklärbar Magisch-Wirksamem – gleichzeitg vermittelt er aber auch ein Gefühl von fundierten Kenntnissen, von Großartigsein, vom ›Durchschauen, was Sache ist‹, und ›Wissen, wie es geht‹.

Der Gebrauch dieses Begriffs anstelle von ›Technik‹ trägt […] denn auch bei zu einer wahren Technik-Besessenheit, die man Technik-Sucht, zu einer Technik-Gläubigkeit, die man Technik-Religion nennen könnte. Zu wiederholten Malen wird uns versichert, mit den ›Zukunftstechnologien‹, den ›Hochtechnologien‹, ja ›Spitzentechnologien‹ hätten wir schon ›alles fest im Griff‹; mit ›Schlüssel-‹ und ›Brückentechnologien‹ als ›Übergangstechnologien‹ seien wir befähigt, jede Schwierigkeit unseren Wünschen gemäß aus der Welt schaffen und die Konflikte unserer gegenwärtigen Industriegesellschaft überwinden zu können; mit ›Batterietechnologien‹ und ›Speichertechnologien‹ stünden uns schon jetzt handfeste Techniken zu Gebote; alles sei durch ›innovative Technologien‹ machbar; als unausweichlich ›alternativlos‹ seien sie die einzig berechtigten Mittel, den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. […]

Ja, nicht nur die ›Dinge‹, die unbelebten, nein, auch das Lebendige, die Natur insgesamt lasse sich durch ›Umwelt-‹, ›Bio-‹, ›Öko-‹, ›Medizin-‹, ›Nano-‹, ›Gentechnologien‹ ›beherrschen‹; wir, die ›Krone der Schöpfung‹, könnten uns mit diesen ›Wissenschaften‹ und anderen ›zukunftsweisenden Technologien‹ die Erde untertan machen, und dies alles unterliege außerdem ›natürlich‹ noch einem ›grenzenlosen Wachstum‹, das ungefragt mit ›Bessersein‹, mit ›Übertreffen der Natur‹ gleichgesetzt wird und zu dessen Bekräftigung sogar ein ›Wachstumsbeschleunigungsgesetz‹ erlassen wurde!«

Wie gut ist das gesagt! Wie wahr.

Üben Sie also: »Technik«! »Technik«! »Technik«!

Viel Erfolg dabei wünscht Ihnen

Ihr Johannes Heimrath (Herausgeber)

Hier geht’s zu Oya Ausgabe 24