Einen Text, der mich, nun ja, zwar weniger in dem Sinn verändert hat, wie es der Untertitel dieser Jubi­läumsausgabe von Oya nahelegt, sondern der mir vielmehr zu einem steten Begleiter wurde, seit ich ihn als Schulkind in der dicken Familien-Gesamtausgabe zum ersten Mal selbständig lesen und irgendwann auswendig hersagen konnte, will ich Ihnen nicht vorenthalten. Er ist in seiner sommer­lichen Heiterkeit – ich meine immer, die Lerchen tirilieren zu hören –, seiner den Autor selbstverständlich einbeziehenden, feinsinnigen Ironie und seiner ­jeden Popanz schlagartig entleerenden Wahrheit ein Meisterstück. Er stammt aus Wilhelm Buschs 1874 erschienenen, von seinen Zeitgenossen aller­dings kaum goutierten Gedichtsammlung »Kritik des Herzens« (was schon im ­Titel eine wunderbar wegweisende Antwort auf Immanuel Kants »Kritik der ­reinen Vernunft« gibt) und geht so:

Ein dicker Sack – den Bauer Bolte,
Der ihn zur Mühle tragen wollte,
Um auszuruhn, mal hingestellt
Dicht bei ein reifes Ährenfeld –
Legt sich in würdevolle Falten
Und fängt ’ne Rede an zu halten.
»Ich«, sprach er, »bin der volle Sack.
Ihr Ähren seid nur dünnes Pack.
Ich bin’s, der euch auf dieser Welt
In Einigkeit zusammenhält.
Ich bin’s, der hoch vonnöten ist,
Dass euch das Federvieh nicht frisst;
Ich, dessen hohe Fassungskraft
Euch schließlich in die Mühle schafft.
Verneigt euch tief, denn ich bin Der!
Was wäret ihr, wenn ich nicht wär’?«
Sanft rauschen die Ähren:
»Du wärst ein leerer Schlauch,
Wenn wir nicht wären.«

Dem ist nichts hinzuzufügen. Herzlich,

Ihr Johannes Heimrath (Herausgeber)

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