Einige behaupten, die Erde brauche den Menschen nicht, aber der Mensch brauche die Erde. Den Satz habe ich in verschiedenen Zusammenhängen gehört, von Misanthropen beispielsweise, die den drohenden Untergang der Menschheit begrüßen, da sie den Menschen für einem Systemfehler halten, der nichts zuwege bringe als die Zerstörung all seiner Umwelten seit Anbeginn der »Kultur«. Je nachdem, was für eine Studie ich gerade durchgearbeitet habe, stimme ich dem mal mehr, mal weniger zu. Erstaunlich ist, dass der Satz auch aus den Mündern von Menschen kommt, die an sich positiv eingestellt sind. Der Mensch sei auch nichts anderes als der gesamte Rest der Natur, alles vergehe, die Arten kämen und verschwänden, im Atemrhythmus der Erde seien wir nur ein Zeitfünkchen, wir sollten uns nicht so viel auf uns einbilden, am Ende bliebe vom ganzen Universum nur gleichmäßig kalter Staub übrig.

Nun sind wir bekanntlich nichts anderes als Erde, und da diese nichts anderes ist als Kosmos, so sind wir ebenfalls nichts anderes als Kosmos. Welche Instanz auch immer das Universum angestoßen hat, hat auch uns angestoßen. Wir waren zu erwarten, denn sollten die Prinzipien Ewigkeit und Fülle wahr sein, so muss sich alles ereignen, was die angestoßenen Spielregeln zulassen – und logischerweise auch alles, was sie nicht zulassen, es muss alle möglichen anderen Regeln geben und eben auch alle unmöglichen. Die Eingangsbehauptung greift zu kurz, denn es ist weniger die Erde, die den Menschen braucht oder nicht braucht. Es ist der Kosmos, der den Menschen braucht, egal wo, egal wann, Hauptsache, er taucht irgendwann überhaupt auf – sonst wäre der Kosmos nicht ewig und allumfassend, es würde ihm eine Permutation fehlen.

Nun haben wir ein Jahrmillionen langes Zeitfünkchen damit zugebracht, ein kosmisches Staubkörnchen namens Erde so zu gestalten, wie es für uns typisch ist und wie nur wir es tun können. Was gibt uns Anlass zu denken, das, was wir jetzt vor uns sehen, Gutes und Schlechtes, sei schon das Gemeinte, sei das, weshalb der Kosmos unseren spezifischen Ort, unser spezifisches Lebensnetz und schließlich uns selbst hervorgebracht hat?

Heute, da ich noch keinen Bericht gelesen habe, der mich hinunterziehen hätte können, gebe ich mich dem Gedanken hin, das alles könnte erst der etwas holperige Anfang gewesen sein. Wir werden gebraucht, um das Prinzip des Lernens an unserem kosmischen Ort zu realisieren, die Prinzipien des Erkennens, der Einsicht, des freiwilligen Wandels, des Nährens und Förderns von Leben, um einen schönen Klang auszusenden, der andere Orte in Resonanz geraten lässt. – Was sogleich den Verdacht zurückspiegelt, wir könnten weniger die Akteure sein als eher diejenigen, die in Resonanz geraten zu etwas, das uns aus der Fülle des Universums erreicht, gerade jetzt, wo es höchst nottut, jetzt, wo der Wandel uns ergriffen hat, wo wir aufmerksam sind, bereit, mit dem großen Leben mitzuschwingen, unseren spezifischen Menschenbeitrag zu leisten, usw.

Ich möchte heute glauben, dass die Erde, der Kosmos uns brauchen.

Dass der Herbst für Sie noch schöne, warme Tage habe, wünscht Ihnen

Ihr Johannes Heimrath (Herausgeber)

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