Was genau meint das Wort »Wirt«? Die etymologische Interpretation der indo­euro­pä­i­schen Wortwurzel kreist um »aufmerksam behandeln«, »hüten«, »beherbergen« – damit verwandt ist »warten« im Sinn von »­pflegen«, »aufpassen«, vgl. »Wärter«, »Torwart« –; aber auch »gewahren« im Sinn von »erkennen«, »gewahr werden«, »innewerden« war gemeint. Eine Herleitung aus dem Altnordischen als »der eine Mahlzeit gewährt« wird ebenfalls vorgeschlagen. Seit dem 9. Jahrhundert scheint die Bedeutung »Gastgeber« vor die Bedeutung »Hausherr« gerückt zu sein. In der Biologie meint »Wirt« ein »gastgebendes« Lebewesen, das einem anderen – dem »Gast«, menschlichem Urteil nach als »Parasit« (»Nebenesser«) oder »Schmarotzer« (»jemand, der auf Kosten anderer lebt«) diskriminiert – als Nahrungs- oder Aufenthaltsort dient. Diejenigen »Wirt«-»Gast«-Beziehungen, die wir nach unseren Maßstäben glauben als für beide Organismen nutzbringend einschätzen zu können, nennen wir »Symbiose« – »vorteilhaftes Zusammenleben«.

Das Adjektiv »wirtlich« benennt also eine Haltung der Zuwendung, der Fürsorge, eine elterlich nährende Achtsamkeit, Umsicht und einladende Schenk­bereitschaft. »Unwirtlich« hingegen definiert der ­Duden als »zum Aufenthalt nicht einladend, dem Wohlbefinden nicht zuträglich, ungastlich«; auch »abweisend«, »karg«, »unbelebt«, »eintönig«, »öde« und »wüst« finden sich im Wortfeld.

Sie merken die Absicht – und fragen sich nun gewiss wie ich, wie sehr die Menschen, die heute die Berufsbezeichnung Land-»Wirt« und Land-»Wirtin« führen, dem Bild eines »wirtlichen« Menschen entsprechen, der sich dem Land – indem er dessen Bedürfnisse »gewahr-« und »innewird« – sorgend und nährend widmet, oder ob nicht vieles in der nach gegenwärtiger »guter fachlicher Praxis« ausgeübten Landnutzung eher das Adjektiv »unwirtlich« verdient hätte.

Auf der Suche nach einer oya Bezeichnung für Menschen, die ­enkeltauglich ackern, wurde »Bauer«, »Bäuerin« vorgeschlagen – das klinge naturnäher, mit dem Boden verbundener, weniger indus­triell vernutzt als »Landwirt« und »Landwirtin«; bei »Landwirtschaft« habe man immer die Ökonomie im Kopf. Doch ­sagen wir nicht Land»wirtschaftler«, sondern reden von »Wirten«, deren sorgen­de Arbeit für das Land durch die Endung »-schaft« etwas Gemeinsames, Größeres bekommt, so wie man auch »Bauernschaft« sagen kann und »Landschaft« sagt. (Es würde auch der Ökonomie gut anstehen, sie würde sich auf das Wirtliche in der Bezeichnung »Wirtschaft« besinnen und sich als Gemein­wohl-»Wirte­schaft« verstehen.) Das althochdeutsche Wort »būwan«, von dem sich »Bauer« ableitet, bedeutet zuerst »wohnen, bewohnen« und besitzt keine »wirt­liche« Emotionalität. Welche Geste spüren Sie bei den Wörtern »anbauen« einerseits und »­bewirten« andererseits? Löst nicht »anbauen« – das, was die »Bäuerin«/der »Bauer« tut – etwas von Ihnen Fortweisendes, mit Erfolgsabsichten Verbundenes in Ihnen aus, während »bewirten« Sie die Arme ausbreiten und die Wärme des Willkommenheißens in Ihrem Herzen aufsteigen lässt? ­Sollten wir nicht Land»wirt«schaft durch Besinnung auf das eigentlich mit dem Wort »Wirt« ­Gemeinte in einen neuen Rahmen setzen? Würden wir Land»wirt«schaft allgemein so verstehen und »wirtlich« ausüben, wären Differenzierungen wie »enkeltauglich«, »biologisch« oder »konventionell« hinfällig.

Darauf hofft, herzlich grüßend,

Ihr Johannes Heimrath (Herausgeber)

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