Johannes Heimrath und Lara Mallien sprachen mit Kerstin Stelmacher über die Kommunikation zwischen Berliner Garten-Aktiven und der Stadtverwaltung.

Kerstin, im Sommer 2013 haben wir für Oya den Gemeinschaftsgarten Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld besucht. Im Gespräch mit den Gärtnernden kamen die Schwierigkeiten, den Vertrag über das Bleiberecht des Projekts zu verlängern, zur Sprache. Wo steht ihr heute in diesem Prozess?

Inzwischen gibt es ganz andere Voraussetzungen: Der Volksentscheid im letzten Jahr hat ergeben, dass das Tempelhofer Feld nicht bebaut wird. Das ist auch für den Garten ein Schlüssel für eine langfristige Perspektive am jetzigen Standort. Inzwischen hat sich aus dem Garten heraus ein eigener Verein gegründet. Er kann nun womöglich einen unbefristeten Vertrag mit »Grün Berlin«, der Stadtentwicklungsgesellschaft des Landes Berlin, aushandeln.

Hast du eine Aufgabe in dem neuen Verein?

Nein, ich bin nicht Mitglied. Nur beim Aufbau des Gartens habe ich selbst Hand angelegt, ansonsten eher organisatorisch und moderierend geholfen. Ich gehöre zu den 13 Menschen, die 2009 das Allmende-Kontor als Anlauf- und Vernetzungsstelle gegründet haben. Damals hatte sich die Anzahl der Gemeinschaftsgärten in Berlin rasant vermehrt; es ging nun auch um umkämpfte städtische Flächen und um die Fragen »Wem gehört die Stadt?«, »Wer gestaltet sie?«. Wir wollten Menschen auf den Ebenen des Senats, der Bezirke und der Garten-Initiativen zusammenbringen, um kooperative Ansprechpersonen einzusetzen. Der Aufruf, sich für Projekte auf dem Tempelhofer Feld zu bewerben, war nicht die Ursache für die Gründung des Allmende-Kontors, aber der von uns dort initiierte Garten gab auch den Anliegen des Kontors einen Ort. Durch die Aufbauarbeit für den Garten rückte manches andere leider in den Hintergrund, aber der Prozess auf dem Tempelhofer Feld war sehr spannend: Es bewegte sich viel in kurzer Zeit. Die Gärtnerinnen und Gärtner haben sich immer mehr selbst organisiert und politisiert. Für viele war ein Plenum etwas ganz Neues, wie auch die Art der Entscheidungsprozesse.

Mein Hauptinteresse gilt vor allem der Vernetzung, der politischen Arbeit – stadt- und auch bundesweit. Ich organisiere die »GartenaktivistInnentreffen« mit, bin in der Redaktion von »stadtacker.net«, betreue die Allmende-Kontor-Webseite mit und kümmere mich um die »Werkstattgespräche Stadtgärtnern«. Letztere sind dem Austausch und der Zusammenarbeit zwischen Garten-Initiativen und der Verwaltung, konkret der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, gewidmet.

Welche Schwierigkeiten gibt es zu überwinden, um beide Seiten in einen Dialog zu bringen?

Da ist zum Beispiel die Kluft zwischen dem klaren Arbeitsauftrag der Verwaltung und dem damit verbundenen Rahmen bzw. den Zwängen, in denen sie sich bewegt, und dem »inneren« Auftrag der Menschen in den Garteninitiativen, ihrem Anspruch, Stadt mitzugestalten – selbstorganisiert, selbstermächtigt, hoch engagiert, oft ein bisschen chaotisch. Schwierigkeiten fangen bei ganz einfachen Dingen an: Die Verwaltungen arbeiten tagsüber, Initiativen treffen sich vornehmlich abends und am Wochenende. Die Bearbeitungsgeschwindigkeiten, die Kommunikationszeiten und -arten sind sehr verschieden. Professionelle Strukturen und »Ehrenamt« – das erzeugt Spannung.

Eine Mitarbeiterin der Senatsverwaltung organisiert die Werkstattgespräche mit. Wir haben bei allen Meinungsverschiedenheiten einen guten Draht; mit ihr kann ich auch außerhalb der normalen Bürozeiten telefonieren. Das ist für mich ein Schlüssel: Es hängt von konkreten Personen ab, ob die Kluft zwischen Bürgerschaft und Verwaltung weiter aufreißt oder ob Brücken entstehen. Das nächste Treffen wird schon das sechste Werkstattgespräch sein.

Wieviele Menschen nehmen daran teil?

Zwischen 10 und 20 Personen. Von der Verwaltung sind höchstens drei dabei, darunter auch die zuständige Mitarbeiterin für die Kleingärten. Aus den Gärten kommen oft »die üblichen Verdächtigen«, doch inzwischen auch Engagierte aus Kleingärten und Neulinge in Stadtgärten. Wir sammeln Themen: Wo ist Gesprächsbedarf? Wo gibt es Schnittstellen, gemeinsames Abstimmungsinteresse? Wo können wir zusammenarbeiten, auch voneinander lernen? Letzteres finde ich wichtig, es greift das übliche Denken von »Unten – Zivilgesellschaft« und »Oben – Politik und Verwaltung« im Sinn einer Kooperation an.

Die Strategien »von unten nach oben« oder »von oben nach unten« sind beide von Obrigkeitsdenken geprägt. In einer echten Kooperation befindet sich alles auf derselben Ebene; dann geht es um gemeinsame Interessen ohne Hierarchien.

Die Verwaltung steht meist auf dem Standpunkt: »Ihr Aktivisten sollt euch einig werden und dann mit einem klaren Vorschlag an uns herantreten; wir als Verwaltung schauen dann, was geht oder nicht geht.« Sich zusammenzusetzen und über eine Sache von Grund auf gemeinsam nachzudenken, ohne schon die Lösung zu wissen – das ist nicht angesagt. Trotzdem halte ich es für nötig und auch möglich, solche offenen Gespräche zu führen, auch Experimente zu wagen, zum Beispiel um herauszufinden, ob eine Koordinatorin für das Thema »Urban Gardening« in Berlin eine sinnvolle Stelle sein könnte. Stuttgart hat so etwas eingerichtet. Ich bin noch nicht ganz von dieser Idee überzeugt, sondern möchte erst diskutieren: Was müsste eine solche Person tun, was bitte nicht? Wäre auch ein Team denkbar – ein Mitglied kommt aus der Verwaltung und ein anderes aus der Gartenszene?

Die Verwaltung muss bekanntlich dafür sorgen, dass alle zu ihrem Recht kommen. Aus ihrer Sicht haben die Gärtnerinnen und Gärtner nur ein Partikularinteresse.

Das ist eine wichtige Diskussion: Wenn etwa die Teilfläche eines öffentlichen Parks gärtnerisch genutzt wird – ist das dann eine Teilprivatisierung? Wenn sich Nachbarinnen und Nachbarn um ein Stück öffentlichen Raum kümmern, einen Zaun wegen der Hunde darum ziehen, aber das Tor immer offen lassen – welche Rechtslage ergibt sich daraus? Sind solche Gärten inklusiv? Diese Problematik wird zuweilen als Holzhammer-Argument gegenüber den Gärten genutzt, aber die Fragen sind eben relevant und sollten offen diskutiert werden.

Die Verwaltung bildet in der Regel keine Denkstrukturen für eine Allmende – Commons – aus. Der »öffentliche Raum« ist etwas anderes als ein offenes, von einem bestimmten Kreis gepflegnutztes Gelände.

Es geht ja bei Stadtgärten nicht bloß darum, dass eine Gruppe ein Stück Land zum Gemüseanbau nutzen will, sondern da sind Menschen, die den Anspruch, die Lust und die Zeit haben, ihre Stadt mitzugestalten. Damit greifen sie in das Aufgabenspektrum der Verwaltung ein: Die muss dafür sorgen, dass alle Menschen in der Stadt das Recht auf grünnahes Wohnen wahrnehmen können, und verbindet damit einen alleinigen Gestaltungsanspruch. Da argumentiere ich: Gemeinschaftsgärten sind keine Rückzugsorte für bestimmte Gruppen. Sie haben fast immer weiterreichende soziale und ökologische Wirkungen. Sie schließen nicht aus, sondern öffnen Stadtraum und Gesellschaft für neue Formen des Zusammenarbeitens. Doch das wird nicht als Wert angesehen.

Das Thema Stadtgärten müsste eigentlich von einer interdisziplinären Gruppe in der Verwaltung behandelt werden.

Unbedingt, aber der Weg dorthin ist noch weit. Leider sitzen wir nicht mit verschiedenen relevanten Verwaltungen an einem Tisch. Das Amt für Stadtentwicklung und Umwelt ist für die Gärten zuständig, nicht aber für Soziales, Arbeit, Migration, Inklusion und so weiter. Im Werkstattgespräch haben wir schon mehrmals darüber diskutiert und wollen Leute aus anderen Verwaltungen einladen – doch das ist kompliziert.

Kommen bei euren Werkstattgesprächen auch grundsätzliche Fragen zur Rolle der Gemeinschaftsgärten zur Sprache?

Ja, immer wieder. Es gibt seit letztem Jahr ein Manifest zum urbanen Gärtnern, das die »anstiftung« zusammen mit Gartenaktivistinnen und -aktivisten aus verschiedenen Städten erarbeitet und veröffentlicht hat. Es enthält eine Selbstdefinition über das Wirken und Wollen von Urban Gardening für Stadtraum und Stadtgesellschaft, klare Vorstellungen und auch Forderungen zum Beispiel zu einer »gartengerechten Stadt« in Abgrenzung zur »autogerechten«. Einmal habe ich das Manifest in einem Werkstattgespräch vorgestellt. Das fühlte sich an wie der dritte Schritt vor dem ersten …

In den Gesprächen geht es vor allem auch darum, einander besser zu verstehen. Bei einer der bestbesuchten Veranstaltungen hat die Mitarbeiterin der Verwaltung dargestellt, wieviele Grünflächen es in der Stadt gibt, in welche Kategorien sie eingeteilt sind und welche Finanzmittel je nach Kategorie für Pflege und Bewirtschaftung zur Verfügung stehen. Wir haben erfahren, wo die Grenzen der Zuständigkeiten des Senats und der Bezirke verlaufen. Da gab es viele Aha-Momente und großes Erstaunen, zum Beispiel darüber, was es alleine kostet, Grünflächen von Müll sauberzuhalten, welchen Zwängen die Verwaltung ausgesetzt ist. Die Spielräume sind oft gleich null.

Wenn die Bürgerinnen und Bürger erfahren, was ihre kommunale Verwaltung tut, fallen sie in der Regel aus allen Wolken. Viele haben das diffuse Gefühl »Die tun nichts!«. Doch die tun ganz viel! Nur ist das meiste schrecklich kompliziert geregelt.

Für beide Seiten finde ich folgende Frage wichtig: Wie bereit bin ich, die Spielräume in der leider oft gegebenen Kompliziertheit gemeinsam auszumachen und in beiderseitigem Interesse zu nutzen? Wenn die persönliche Ebene stimmt, ist da vieles möglich. Umgekehrt bedeutet das leider, dass vorhandene Ermessensspielräume oft nicht genutzt werden. Wenn die Verwaltung an einer Stelle blockiert, ist es wenig zielführend, dort Druck auszuüben. Viel sinnvoller ist es, sich dann an die Politik zu wenden, damit sie andere Vorgaben schafft.

Ja, das wird meist missverstanden. Viele denken, sie müssten die Verwaltung unter Druck setzen, um etwas zu erreichen.

Die Menschen dort empfinden ihre Situation häufig so: Ständig wollen Leute Dinge, die im Verwaltungsrahmen völlig unmöglich sind, und dann gehen sie auch noch an die Presse oder machen anderen Stress! – In schwierigen Situationen ist es sinnvoll, auf zwei Ebenen vorzugehen: bei der Politik protestieren, bei der Verwaltung das Gespräch suchen. In einer Bürgerinitiative finden sich meist Menschen, die entweder auf der einen oder der anderen Ebene ihre Begabungen haben: Es gibt ausgemachte Kampagnen-Leute, die demonstrieren, einen Platz besetzen, Widerstand leisten; und es gibt welche, die geschickt mit der Verwaltungssprache umgehen, die einen Dialog vorantreiben. Beides ist wichtig.

Wie kommunizieren die Gärten untereinander, wenn Fragen auftauchen, die sie gemeinsam betreffen?

In diversen Verteilern und auf Treffen findet eine informelle Meinungsbildung statt. Seit 2010 findet alle zwei Jahre das berlinweite »GartenaktivistInnen-Treffen« statt. In Verschmelzung mit dem »Runden Tisch Urban Gardening«, einem Projekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, entstanden daraus letztes Jahr die »Foren Stadtgärtnern«. Es gibt zahlreiche Vernetzungstreffen bundesweit, viele durch die »anstiftung« organisiert und unterstützt. Das Persönliche ist in dieser Szene sehr wichtig. Von einer gemeinschaftlich gefundenen Legitimations-Struktur, nach der Vertreterinnen und Vertreter für die Berliner Stadtgärten als Gesamtheit sprechen könnten, sind wir noch weit entfernt. Aber brauchen wir das überhaupt? Könnten verantwortungsvolle Aufgaben zum Beispiel zweijährlich rotieren? Das diskutieren wir in solchen Treffen. Wenn uns die Stadt mit Infrastruktur unterstützt, ist das schön. Andererseits dürfen die Unabhängigkeit und die widerständige Kraft der Garten-Initiativen nicht verlorengehen.

Zuviel staatliche Versorgung dämpft meist die Initiativkraft der Gruppen.

Letzten Sommer kam eine Gruppe aus Malmö in den Allmende-Kontor-Garten. Erst nach einer Weile habe ich begriffen dass es eine Delegation von Mitgliedern der Malmöer Stadtverwaltung war. Der Grund ihrer Reise: In Schweden gebe es zwar sehr viele urbane Gärten, aber sie seien kaum untereinander vernetzt. Die Stadtverwaltung von Malmö fragte sich nun, wie sie den Organisations- und Vernetzungsprozess im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie in der Stadtentwicklung unterstützen könnten. Ich dachte erst, ich hätte nicht richtig gehört! Im Dezember war ich dann nach Malmö eingeladen. Die Gruppe, die uns damals in Berlin besuchte, präsentierte ihr Konzept – das »Malmö-Modell«. Die Stadt will nun die Gründung eines Dachverbands der Gemeinschaftsgärten unterstützen, dem sie Personalmittel und Infrastruktur zur Verfügung stellt. Ich war ein bisschen sprachlos. Das Engagement der Stadt in Malmö finde ich super – aber ob das Malmöer Modell nach Berlin passt, weiß ich nicht. Was Kooperationsverständnis, den integrierten Blick und auch das Geld angeht, hinken wir in Berlin hinterher. Die Spezialität des Berliner Stadtgärtnerns ist die Vielfalt; daraus entstehen die Stärke der Bewegung, die politische Kraft und Streitfähigkeit. Das darf auf keinen Fall durch Überstrukturierung und Abhängigkeiten gefährdet werden! Ich hoffe auf einen oder mehrere neue Wege, die sich aus den konkreten Konstellationen in Berlin ergeben – und dass dabei mit der Zeit ein gutes Gleichgewicht zwischen Eigenständigkeit und Kooperationsbereitschaft entsteht.

Dabei wünschen wir euch alles Gute! Hab Dank für das erhellende Gespräch. •

Kerstin Stelmacher (39), Geografin und Gartenaktivistin, ist Mitinitiatorin des Kiezgartens und des Allmende-Kontors und beruflich für Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit tätig. Sie wohnt in einer Gemeinschaft in Berlin.
www.allmende-kontor.de, www.gruenanteil.net

Erschienen in Oya Ausgabe 31 (2015)