Wäre es nach mir gegangen, hätte die neue Oya jetzt den Untertitel »Magazin für eine wärmere Welt.« Aber die Zeiten des Alleinemachens sind lange vorbei, und es ist ja wahr – Mehrdeutigkeit macht Missverständnisse möglich. Gottseidank ist mein beginnender Altersstarrsinn noch handhabbar. So bin ich damit zufrieden, dass die schöne Unterzeile in Zukunft über meinen letzten Worten stehen darf.

Eine wärmere Welt. – Als mir die Zeile einfiel, sah ich eine mitteleuropäisch warme, sonnenlichtdurchflutete Landschaft vor mir. Strahlende Menschen voll Herzenswärme, Lust und Lebensfreude strömten auf mich zu. Nur die üppigen Bäume warfen Schatten auf das grüne Land. Schatten in Herzen und Hirnen der strahlenden Menschen waren nicht mal zu ahnen. Ein Paradies.
Schrecklich schön, nicht wahr? Hinter der platten Idylle ragte die Kulisse des Zusammenbruchs empor. Sie ähnelte der Projektionsleinwand, auf der die berühmte Kurve in Al Gores unbequemem Film so sehr nach oben geht, dass er sich mit einem Lift in die Höhe fahren lassen muss. Anders kann er nicht zeigen, wo der CO2-Wert der Atmosphäre demnächst landet.
Es gab mir zu denken, als mir die Evolutionsbiologin Elisabet Sahtouris im Gespräch sagte, dass eine wärmere Erde für das Leben als Ganzes nur Vorteile hätte. Pflanzen und Tiere bräuchten weniger Energie. Sie würden besser gedeihen und üppiger wachsen. Natürlich nur die, die nicht auf Kälte angewiesen seien. Pech für Flechten, Eisbär, Krill. Glück für Mücke, Mais und Mensch. Und natürlich nur dann, wenn genügend Wasser da wäre. Und wenn es alle rechtzeitig aus den Dürregebieten heraus schafften. Und was den Menschen betrifft, müssten freilich diejenigen, die jene aus den Dürregebieten aufzunehmen hätten, barm-, sprich: warmherzig sein. Sie müssten wissen, wie sie ihre dann etwas üppiger wachsende Nahrung mit den dennoch zu vielen Hungrigen teilen könnten.

Joseph Beuys schrieb einst auf eine Tafel: »Liebe? Freiheit? Sonnenstaat?«. Letzteren hat Tommaso Campanella, dem die Inquisition übel mitgespielt hat, 1623 im Gefängnis erdacht (www.textlog.de/campa-sonnenstaat.html). Die Bewohner des utopischen Gemeinwesens »erkennen und betrachten Gott in Gestalt der Sonne, die sie sein Ebenbild nennen, sein Angesicht, sein lebendiges Standbild, den ewigen Quell, aus dem er Licht, Wärme, Leben, Fruchtbarkeit, mit einem Worte alles erdenkliche Gute sich über uns ergießen lässt.« Beuys muss Campanellas Idee von Licht und Wärme gefühlt haben: Als zentrale soziale Plastik wiederum seines Sonnenstaats visualisierte er die »Wärmefähre«. Das seltsame Fahrzeug wird vom Gespräch zwischen Mensch und Mensch erzeugt. Es transportiert Wärme von Herz zu Herz. Ohne Liebe, meinte Beuys, könne keine neue Gesellschaft entstehen.

Lassen wir es dabei bewenden. Würde die demnächst 3 bis 8 Grad Celsius wärmere Welt von Menschen bewohnt, aus denen auch nur um wenige Zehntelgrade mehr Wärme strahlte als heute, hätten wir schon gewonnen: Diese wärmere Welt hätte weniger Stahl, weniger Glas, weniger Lack, weniger Beton, weniger von allem Äußeren. Sie hätte mehr Licht auch dort, wo wir die Schatten ahnen.

Beste Grüße aus dem eingeschneiten, winterlich kalten Klein Jasedow,

Ihr Johannes Heimrath (Herausgeber)

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